Gemeinsam ins Handeln kommen
Mit viel Energie für gute Lösungen ging es in den ersten Tag der Power-to-X DAYS, dem Congress DAY, im JED Events in Schlieren. Rund 140 Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger trafen sich, um die Opportunitäten der Power-to-X-Technologien für ein starkes Wirtschafts- und Energieversorgungssystem der Zukunft auszumachen und voranzutreiben.
Ein Einstieg nach zwei Ausstiegen
Gründe, warum die Schweiz hier vorwärts machen soll, gibt es viele. Zuoberst stehen die Energieversorgungssicherheit und die innovative Wirtschaftskraft der Schweiz. Nach dem politischen Entscheid, langfristig aus den fossilen Energien und der Kernenergie auszusteigen, plädiert Martin Hirzel, Präsident von Swissmem für den Eintritt in die Wasserstoffwelt, auch wenn noch nicht klar ist, ob die Erneuerbaren ausreichen, um die ambitiösen Ziele zu erreichen. «Denn wir brauchen unterbruchsfreien Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen, der klimaneutral ist.» «Wasserstoff», so Daniel Hofer, Präsident von Avenergy Suisse, «kann in Zukunft für die Energieversorgung eine ähnliche Rolle spielen, wie heute die Kohlenwasserstoffe.» Der Weg dahin ist aber noch weit. Um die Strecke erfolgreich zu machen, ist vor allem die Zusammenarbeit von verschiedenen Playern gefragt. «Die Industrie kann einen Teil machen, aber der Marktlauf von neuen Technologien geht nicht ohne die Hochschulen und die Finanzwelt an Bord zuhaben» sagt Patrik Meli, Co-Präsident von SPIN.
Einig waren sich die drei Präsidenten über die Rolle der Politik: Sie muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass sich die transformative Kraft von Wasserstoff und Power-to-X entfalten kann. Im Kern geht es darum, die Anreize so zu setzen, das langfristige Projekte an Investitionssicherheit gewinnen.
Die Bedingungen sind hart
Bei den Rahmenbedingungen sind das Nachbarland Deutschland und die EU der Schweiz voraus. Hier sind die politischen Weichen für den Einstieg in die Wasserstoffwelt gestellt. Martin Eggstein, Ministerialdirigent, Abteilung Energiewirtschaft, Ministerium UKE, BW, Stuttgart, zeigte auf, wie das Land Baden-Württemberg die deutsche Wasserstoffstrategie umsetzt, welche infrastrukturellen Herausforderungen für die Erzeugung, die Speicherung und den Transport gemeistert werden müssen und dass trotz einer Risikoabsicherung durch die öffentliche Hand noch nicht jede Strecke vom Wasserstoffkernnetz mit einem Investor belegt ist. Der Grund: «Die Rahmenbedingungen sind hart, denn die Eigenkapitalrendite ist von der Bundesnetzagentur auf einem Stand festgesetzt, der den Netzbetreibern wehtut», so Eggstein.
Die Wasserstoffstrategie in der Schweiz wird in den nächsten Wochen vom Bundesrat verabschiedet werden. Sie wird eingebettet sein in die übergeordneten Ziele der Energie- und Klimapolitik der Schweiz und sich auf die Nachfrage konzentrieren, wie Dr. Markus Bareit, Projektleiter Wasserstoff beim Bundesamt für Energie informierte.
Es ist noch nicht zu spät für die Schweiz
Daniela Decurtins, Geschäftsführerin VSG Verband der Schweizer Gasindustrie, überbrachte die beruhigende Botschaft, dass auch wenn die Schweizer Wasserstoffstrategie noch etwas auf sich warten lässt: Wir haben den Anschluss (noch) nicht verpasst. Dank heutiger Transportinfrastruktur ist die Schweiz ein wichtiger Partner für die Transformation der Energieversorgung auf Wasserstoff in Europa. Ziel müsse es sein, das Rückgrat der europäischen Gasversorgung partnerschaftlich zu einem Rückgrat der europäischen Wasserstoffversorgung zu machen für den Fall des Wasserstoffhochlaufs. «Das kostet Geld», so Decurtins, «das kann die Privatwirtschaft nicht alleine stemmen.» Hier brauche es von Seiten des Bundes eine Bereitschaft mit der Branche über Finanzierungslösungen zu sprechen, so wie das in Deutschland gemacht wurde. Rudy Van Beurden, Senior Vice President Public Affairs von FluxSwiss Switzerland, führte aus, wie der Anschluss an den European Hydrogen Backbone funktionieren könnte, damit die Schweiz die Anbindung an wettbewerbsfähige Märkte tatsächlich nicht verliert.
Prof. Dr. Gian-Luca Bona, em. Professor ETH Zürich, EPFL und Empa, machte in seiner Auslegeordnung der Power-to-X-Technologien darauf aufmerksam, dass es für die Herausforderung des Umbaus des Energiesystems keine «One-size-fits-all-Lösung» gibt und es höchste Zeit ist, die Power-to-X Lösungen mit Pioniergeist entschlossen nach vorne zu bringen. «Für Grande Dixence-Dimensionen reichen Start-ups nicht. Wir brauchen eine Vielzahl industrieller Lösungen.»
Im Luftverkehr gibt es keinen Tesla
Der Nachmittag gehörte den Macherinnen und Machern in der Praxis. Melanie Heiniger, Head of Corporate Responsibility Swiss International Air Lines, klärte auf, dass es keinen Tesla im Luftverkehr gibt und der nachhaltige Luftverkehr auf einen breiten Massnahmenmix angewiesen ist, um das CO2-Reduktionsziel zu erreichen. Der Technologiehebel sind alternative Treibstoffe wie Power-to Liquid – das Geschäftsfeld von Synhelion. Am Beispiel der Luftfahrt veranschaulicht Dr. Philipp Furler, CEO und Mitgründer von Synhelion, die Wechselwirkung von Regulierung und Marktentwicklung. In Europa und den USA gelten heute Quoten für den Einsatz von Sustainable Aviation Fuels (SAF). Heute liegt der Einsatz bei 1 Mio. Tonne, bis 2050 steigt das Volumen auf 192 Tonnen. «Wir wissen, dass die regulatorische Vorgabe bis 2035 eine Verfünfzigfachung von SAF vorsieht. Das gibt eine klare Perspektive auf die Marktnachfrage», so Furler.
Grosse Business Opportunitäten in der Wasserstoffwertschöpfungskette
Für Burckhard Compression ist die nachhaltige Energiezukunft Teil der DNA. Das Maschinenindustrieunternehmen liefert von Winterthur Lösungen, damit Gas für die Industrie und Energieerzeugung nutz- und transportierbar wird, in die ganze Welt. «Nachhaltige Energieanwendungen entwickeln sich in allen Marktsegmenten», so Fabrice Billard, CEO Burckhardt Compression, «auch in der Wasserstoffmobilität und -energie.» Veronika Schelling, Hydrogen Mobility & Energy Leader bei Burckhardt Compression, führt weiter aus, dass Kompressorlösungen entlang der gesamten Wasserstoffwertschöpfungskette – von der Produktion bis zur Anwendung – gebraucht werden, wobei der Transport und die Speicherung ein entscheidender Teil sind. Ihr Referenzprojekt: eine Wasserstoffpipeline vom Produktionsort in Botlek, Rotterdam (NL) nach Antwerpen (B) zum Verteilknoten und dann zu den Endverbrauchern in Frankreich. «Das H2 wird hier seit 15 Jahren wirtschaftlich quer durch Europa transportiert.»
Ein Verein für die Dekarbonisierung von Hochtemperatur-Prozessen
Andreas Bittig und seine Crew wollen nicht die Welt retten, aber einen Beitrag an die Dekarbonisierung von Hochtemperaturprozessen leisten, wie er sagt. Dafür hat der Verein zur Dekarbonisierung der Industrie in Zug – ein Zusammenschluss von Unternehmen, Wissenschaft und dem Kanton – einen Demonstrator für die Methan-Pyrolyse entwickelt, der heute bereits pro Tag schon 500 kg Kohlenstoff und etwa 150 kg Wasserstoff produziert, mit dem erste Brenner von V-ZUG betrieben werden können. Hier wird versucht, eine Technik, die im Labor gut funktioniert, in der Industrie zu testen, um sie dann im besten Fall zu skalieren und zu kommerzialisieren. V-ZUG hat sich übrigens seit 2018 einer internen CO2-Lenkungsabgabe verschrieben. Die CHF 120 pro Tonne CO2 sind Mittel, die investiert werden zum «Verhindern, Reduzieren und Kompensieren», wie Adrian Theiler, COO V-ZUG sagt.
Gute Fahrt mit Wasserstoff
Steffen Raff, Leiter des Fachbereichs Businstandhaltung bei der SSB, zeigt die Vorteile von Brennstoffzellen-Hybridbussen im Stuttgarter Nahverkehr auf. Sie fahren abgasfrei, leise und umweltschonend, wie er sagt. Doch die Herausforderung des reibungslosen Betriebs liegt auch im Detail. Martin Gautschi, Inhaber und Geschäftsführer der Voegtlin-Meyer AG führt aus, wie das optimale Zusammenspiel von Fahrzeug, Wasserstoffproduktion und Tankstelle in Brugg die Vorteile der Wasserstofftechnologie für den ÖV ins Rollen bringen. Seit März 2024 ist der neue Wasserstoffbus im Einsatz. Im Vergleich zu den anderen Technologien sticht das Vehikel auch mit potenziell geringeren Betriebskosten oben aus. An der neuen Tankstelle der Voegtlin Meyer AG ist der Anschluss für die Wasserstofftankstelle 1.5 schon gelegt und optimalerweise geht 2026 in Wildischachen die Wasserstoffproduktion in der von AXPO betrieben Wasserstoffproduktionsanlage in Betrieb, von der eine Pipeline den lokal produzierten Wasserstoff in die Tankstelle bringt. Hier wird vorwärts gemacht. Daran besteht kein Zweifel.
Aus dem Möglichen Seiendes zu machen
Wie herausfordernd es bleiben wird, Technologie, Politik und Markt zusammenzubringen, um den Power-to-X Technologien den nötigen Schwung für den Hochlauf zu verleihen – oder wie der Moderator Stephan Klapproth frei zitiert nach Aristoteles es zum Ausdruck brachte: Wie es uns gelingt, die Wirkkraft hervorzubringen, um aus dem Möglichen Seiendes zu machen – war auch in der Podiumsdiskussion zu erkennen.
Antoinette Hunziker-Ebneter, Gründungspartnerin von Forma Futura Invest AG und VRP BEKB AG, betonte, dass es die Aufgabe der Unternehmen sei, voranzugehen und den Investorinnen und Investoren aufzeigen, wie sie die interne CO2-Bepreisung schaffen, aber auch die Bedeutung von stabilen Fördermassnahmen, damit Geld in die neuen Technologien fliesst. Dr. Philipp Furler schloss an und verwies nochmals auf die ausserordentliche Notwenigkeit der guten Rahmenbedingungen, um das Vertrauen der Investoren für Grossprojekte zu gewinnen. Als Co-Präsident von SPIN weiss Nationalrat Martin Bäumle, dass Power-to-X nur gemeinsam zum Fliegen gebracht werden kann. Er selbst, so sein Versprechen, sorgt in der Politik für die nötigen Mehrheiten, damit die Rahmenbedingungen das Zusammenspiel der Akteure ermöglichen. Für Guy Bühler, Head Green Gases and Gas Power Plants bei AXPO, gehören in globo auch vereinfachte und beschleunigte Bewilligungsprozesse und für Fabrice Billard, CEO von Burckhardt Compression, der grundsätzliche Wille, sich den Weg für alle CO2-freien Technologien offen zu halten, dazu.